Kultur & Kunst


Entdecken Sie Lissabon auf den Fußspuren von José Saramago

vor 6 Jahre - Julie D.

Für Liebhaber von Romanen gibt es kaum etwas Interessanteres, als die Schauplätze der Bücher eines bekannten Schriftstellers zu entdecken. Zum großen Glück für passionierte Leser hat Lissabon nicht nur Kultur und Geschichte zu bieten, sondern ist ebenfalls die Lieblingsstadt vieler großartiger Autoren.

Wenn Sie einige der Romane von José Saramago (Literaturnobelpreisträger) kennen, werden diese für Sie so vertraut sein wie alte Freunde. Sollten Sie jedoch noch nicht die Möglichkeit gehabt haben, seine feine ironische Sprache kennenzulernen, ist ein Aufenthalt in Lissabon die perfekte Gelegenheit dazu.

Die Romane von José Saramago bieten auch eine wunderbare Möglichkeit, um sich auf den nächsten Besuch von Lissabon vorzubereiten.

In Lissabon können Sie die José Saramago Stiftung besuchen oder der Touristenroute Memorial do Convento folgen, die Sie bis zum Nationalpalast von Mafra führt und Sie den Spuren von Balthasar und Blimunda folgen lässt. Dies sind die beiden Protagonisten des gleichnamigen Romans.

Die Stiftung von José Saramago in Lissabon

Lissabon mit dem Herzen sehen: José Saramago, wer bist du?

José Saramago wurde 1922 in Azinhaga, einem kleinen Dorf nördlich von Lissabon in eine arme Bauernfamilie geboren. Zwei Jahre nach seiner Geburt zog seine Familie nach Lissabon. Er verbrachte den Großteil seines Lebens dort. Bis er 1992 aus Protest gegen die portugiesische Regierung nach Lanzarote ins Exil ging.

Als waschechter Lissaboner liebte Saramago seine Stadt und kannte dort jede Ecke und jeden Winkel auswendig. Aber er fühlte sich auch immer mit Azinhaga verbunden, dem Dorf seiner Kindheit und Heimat seiner Großeltern. In seiner Rede zum Literaturnobelpreis 1998 erzählte er, wie seine Großeltern ihm einen Sinn für Fantasie, die Liebe zur Natur und das unerschöpfliche Wissen der portugiesischen Folklore nahegebracht haben.

In einem seiner neueren Bücher, Das Tagebuch, das viele Texte beinhaltet, die der Schriftsteller zuerst auf seinem Blog veröffentlichte, hat er einen regelrechten Liebesbrief an Lissabon verfasst: „Solche historischen Kleinigkeiten sind uninteressant, wird man einwenden, doch für mich wäre es sehr interessant, nicht nur zu erfahren, sondern – ganz konkret – zu sehen, wie Lissabon sich seit jenen Tagen verändert hat. Wenn es damals schon das Kino gegeben hätte, wenn die alten Chronisten Kameraleute gewesen wären, wenn die tausend Veränderungen, die Lissabon im Laufe der Jahrhunderte erlebt hat, aufgezeichnet worden wären, dann könnten wir sehen, wie dieses Lissabon wächst und sich einem Lebewesen gleich bewegt, ähnlich den Blüten, die sich im Fernsehen binnen weniger Sekunden von der noch geschlossenen Knospe zu ihrer endgültigen Formen- und Farbenpracht entfalten. Ich glaube, schon allein deswegen würde ich dieses Lissabon lieben.” (Das Tagebuch, Hoffman und Campe, 2010, Tradução de Marianne Gareis und Karin von Schweder-Schreiner, pp 17 – 20)

Olivier in Azinhaga, dem Heimatort von José Saramago

Als Kind kannte er Armut: Jedes Frühjahr brachte seine Mutter die Tischdecken der Familie zum Pfandleihhaus, um ein bisschen Geld zu bekommen und hoffte, im Winter wieder welche kaufen zu können. Wegen dieser Schwierigkeiten und, obwohl er ein sehr guter Schüler war, konnten seine Eltern ihn nicht auf der Universität einschreiben. Er machte zunächst eine technische Ausbildung und arbeitete als Mechaniker. Saramago war schon damals, obwohl er sich keine eigenen Bücher leisten konnte, ein eifriger Leser. Mit 19 bekam er einen Kredit von einem Freund und kaufte davon seine ersten Bücher.

Saramago wurde Übersetzer und Journalist. Er veröffentlichte zahlreiche Artikel, Gedichtsammlungen und einige Romane, bevor er mit 60 durch seinen Roman Memorial do Convento bekannt wurde.

Er starb im Jahr 2010 und seine Asche wurde unter einem jahrhundertealten Olivenbaum vor der Casa dos Bicos, wo die José Saramago Stiftung ihren Sitz hat, beigesetzt.

La Casa dos Bicos – Fondation José Saramago

Das Casa dos Bicos, wörtlich das "Haus der Ecken", ist ein interessantes Beispiel für die portugiesische Architektur des 16. Jahrhunderts. Es wurde im Jahr 1532 für Bras de Albuquerque, den Sohn des zweiten Gouverneurs von Portugiesisch-Indien, erbaut. Die Fassade des Gebäudes besteht aus spitzen Steinen. Bras of Albuquerque, der den Bau überwachte, ließ sich wahrscheinlich von Beispielen der italienischen Renaissance beeinflussen, wie von dem Palazzo dei Diamanti in Ferrara.

Bei dem Erdbeben 1755 erlitt das Casa dos Bicos enorme Schäden. Seine zwei oberen Stockwerke wurden erst 1983 wieder aufgebaut. Dabei wurde darauf geachtet, das Aussehen des Hauses mit den doppelbögigen Fenstern zu erhalten.

Seit 2012 befindet sich die José Saramago Stiftung in dem Haus. Dort gibt es eine dauerhafte Ausstellung, die dem Leben und der Arbeit des Literaturnobelpreisträgers gewidmet ist. Die Ausstellung zeigt persönliche Dinge und Manuskripte seiner Arbeit und stellt seinen Arbeitsplatz nach.

Casa dos Bicos – Fondation José Saramago – Rua dos Bacalhoeiros, 10, 1100-135 Lissabon – Öffnungszeiten: von Montag bis Samstag 10h bis 18h

La Casa dos Bicos in Lissabon

In den Fußstapfen von Saramago, von Lissabon nach Mafra: Der Weg Memorial Do Convento

Erst kürzlich eingeweiht, bietet der neue Kulturweg „Memorial do Convento" die Möglichkeit, einen interessanten Ausflug zu den Schauplätzen der Romane von José Saramago zu unternehmen.

Die Route startet in Lissabon, am Praça da Figueira, führt über das Casa do Bicos bis zum Sacavem. Auf dem Weg zur städtischen Bibliothek Ary dos Santos können die Besucher das Informationszentrum aufsuchen. In Loures angekommen, bietet sich die Möglichkeit weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besichtigen. Die Strecke endet in Mafra und schließt natürlich auch den Nationalpalast mit ein, der als Schauplatz des Romans dient. Diese Kulturtour, die gerade erst eingeführt wurde, beinhaltet auch eine Webseite und eine App.

Baltasar und Blimunda ist der Roman, der uns durch diese Tour führt. Er spielt im 18. Jahrhundert zur Zeit des Baus des Mafra Palastes. Die Geschichte erzählt von der Liebe Balthasars, einem einhändigen Arbeiter, der bei dem Bau des Palastes half, zu Blimunda, einer jungen Frau, die über die Gabe des Hellsehens verfügt. Sie helfen bei der Entwicklung einer magischen Flugmaschine, doch die Inquisition sieht das alles gar nicht gerne…

Besuch des Nationalpalastes von Mafra, wunderschönes Barock

Der Nationalpalast von Mafra

Der literarische Weg endet am Nationalpalast von Mafra, 40km von Lissabon entfernt, in der Provinz von Arrabida.

Um den Geburtstag eines Erben zu feiern, hielt John V. von Portugal sein Versprechen, ein Franziskanerkloster zu bauen. Eigentlich sollte es ein einfaches und strenges Kloster werden, das 13 Franziskaner-Mönche unterbringt, die ein Armutsgelübde abgelegt hatten. Doch zwei Jahre nach Beginn des Projektes änderte John V. seine Meinung: Die Taschen der Krone waren dank des Goldes aus Brasilien (eine Kolonie Portugals) voll und John V. entschied sich, kein einfaches Kloster zu bauen, sondern einen opulenten Palast, der zum zweiten zu Hause der Königsfamilie und einem Jagdsitz werden sollte.

Vier Morgen Land, 1.200 Zimmer, 156 Treppen und 29 Höfe: Man kann mit Sicherheit sagen, dass John V. an nichts gespart hat. Der Palast wurde komplett aus Marmor und Steinen der Region gebaut, ist aufwendig dekoriert mit Skulpturen und Gemälden der größten italienischen Meister dieser Zeit.

Heute bewundern wir die umfangreiche Bibliothek mit 36.000 Werken, die sechs Orgeln der Basilika und die opulente Einrichtung des Palastes - ein Meisterwerk des Barockstils. Diesen Palast und das Anwesen kann man zu Recht als Versailles Portugals bezeichnen…